Tradition in Afrika südlich der Sahara

Wunderschöne Ashanti - Weberei, die Holzmasken der Senufo, Beschneidung von Frauen,...

Wenn von afrikanischer Tradition die Rede ist, hat jeder ein anderes Bild vor Augen.Beim Gebrauch des Wortes „Tradition“, denkt man an eine große Vielfalt kultureller und sozialer Phänomene, von denen wir annehmen sie stünden im Zusammenhang mit der Geschichte des Kontinents und der Vergangenheit seiner Bewohner. Das Wort „Tradition“ kommt vom lateinischen Wort „tradere“ und bedeutet etwas übergeben bzw. überliefern.

Trotz der Tatsache, dass viel von der Tradition Afrikas nicht mehr existiert und ein großer Teil zu reiner Folklore geworden ist, ist eine große Vielfalt afrikanischer Traditionen heute noch lebendig. Dieser Text wird sich mit den Einflüssen befassen, die afrikanische Tradition zerstörten und Beispiele geben für erhaltene Traditionen, die moderne Elemente integriert haben. Dabei ist der Focus auf die Rolle der Frau gesetzt.

Zerstörerische Einflüsse

Neben den vielen verheerenden innerafrikanischen Kriegen, die schon immer stattfanden, aber in der Bevölkerung der westlichen Welt bis heute kaum bekannt geworden sind, war es der Einfluss Europas selbst, der profunde Auswirkungen auf Afrika und seine Tradition hatte.

Erste Kontakte zwischen Europa und Afrika entwickelten sich im 15. Jahrhundert, und nach einigen Jahrzehnten der Erforschung fanden die Europäer heraus, dass sie den Kontinent zu ihrem Vorteil ausbeuten konnten, beispielsweise indem sie Afrikaner als Arbeitskräfte auf den Plantagen in Nordamerika einsetzten. Ein Grossteil des europäischen Wohlstandes gründete zu dieser Zeit auf dem Sklavenhandel, der das soziale Gefüge der afrikanischen Gemeinschaften zerstörte und so einen Teil der Kultur. Schwarzafrika verlor 12,5 Millionen Menschen an den transatlantischen Sklavenhandel – allein in den Jahren zwischen 1526 und 1867 [1] .
Der Sklavenhandel führte letztendlich zur Zerstörung der einheimischen Wirtschaftsformen und der politischen Stabilität, da Arbeitskräfte in den Dörfern fehlten und Überfälle von Sklavenjägern und Bürgerkriege den Alltag prägten. Dadurch entstanden aber auch neue Traditionen, beispielsweise das Entfernen der Schneidezähne. Dies war erfunden worden, um Sklavenhändler davon abzuhalten Frauen zu verschleppen,da sie nun - derart entstellt - wertlos für sie waren.
[2]

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts begannen einige europäische Nationen, den Größten Teil Afrikas zu erobern und unter sich aufzuteilen Ihre Interessen bestanden aus einer Mischung von christlichem Missionierungsdrang, Forschergeist, Abendteuerlust, Habgier und Im Zuge der Kolonialisierung wurde die Landkarte Afrikas grundlegend verändert. Grenzlinien wurden willkürlich gezogen und teilten den Kontinent in Gebiete verschiedener europäischer Nationen, ohne dabei Rücksicht zu nehmen auf geographische und ethnische Grenzen. Die dadurch entstandenen multikulturellen Kolonien wurden indirekt durch die Kolonialmächte beherrscht, indem lokale traditionelle Autoritäten als Herrscher eingesetzt wurden. Dies führte zu Unruhen bei der ansässigen Bevölkerung, die sich häufig darum drehten, wer legitimiert war zu herrschen, also eine lokale „traditionelle“ Autorität war und darüber, welche Interessengruppe Vorrechte hatte, zum Beispiel einen bestimmten Landstrich zu besitzen. Im Zuge dessen wurden Traditionen erfunden, um einen Führungsanspruch vor den Augen der Kolonialmächte und der eigenen Gruppe zu rechtfertigen. Die „Erfindung von Traditionen“ [3] kann auch als eine Reaktion der Menschen angesehen werden, die sich in Zeiten enormer gesellschaftlicher Umwälzungen wiederfanden. Sie waren gezwungen, mit Identitätsverlust durch Fremdbestimmung, neuen europäischen Normen und oftmals erzwungener Anpassung an diese Normen zurechtkommen.

Gleichzeitig führte der Kolonialismus und das damit verbundene Profitstreben, zusammen mit der Industrialisierung gleichzeitig zur Zerstörung wirtschaftlicher und sozialer Strukturen. Mit der Industrialisierung kam es zur Suche und Ausbeutung von Rohstoffen, was eines der Hauptinteressen der Europäer in Afrika war. Viele ländliche Regionen Afrikas, wie zum Beispiel wurde der südafrikanische Kupfergürtel wurden in große Bergbaureviere umgewandelt. Dies hatte wiederum schwerwiegende Konsequenzen für die Tradition des afrikanischen Kontinents. Da ein hoher Bedarf an Arbeitern für die Minen bestand, kamen sie aus ganz    Afrika, um Arbeit zu finden und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Konsequenz war, dass in vielen Dörfern ein großer Teil der männlichen Bevölkerung für lange Zeit weit von zuhause weg war. Dadurch wurden die sozialen Strukturen der ländlichen Gemeinden dramatisch verändert. Die Lohnarbeit in den Minen zerstörte zum ersten Mal den Bund zwischen Generationen und Geschlechtern, der seit jeher bestand. Die Frauen, allein gelassen mit den älteren Menschen und den Kindern, mussten nun neben ihrer Aufgabe sich um Haushalt und Kinder zu kümmern, auch die Landwirtschaft übernehmen. Häufig gelang es den abwesenden Männern nach einigen Jahren der Trennung nicht mehr, ihre Familien zu unterstützen. Traditionelle Familienbande wurden bedeutungslos in den multikulturellen Bergarbeitersiedlungen, in denen die Männer lebten. Sie gaben ihren wenigen Lohn häufig für ihr eines Leben und Annehmlichkeiten aus, oftmals auch für Alkohol. Soziale Institutionen wie die Ehe und Übergangsrituale verloren dadurch für die Männer an Bedeutung. Als infolge des enormen wirtschaftlichen Wandels des letzen Jahrhunderts, Großstädte in ganz Afrika (Urbanisierung) entstanden, bildeten sich neue Solidargemeinschaften, zum Beispiel zwischen Frauen, die ihre Kinder gemeinsam aufzogen und untereinander Handel trieben.

Heute bestehen große Unterschiede zwischen den ländlichen und städtischen Regionen in Afrika. In modernen Großstädten spielt Tradition eine weniger wichtige Rolle als auf dem Land, wo Tradition das tägliche Leben der Menschen immer noch maßgeblich bestimmt.

Beispiele erhaltener Traditionen und darin integrierter moderner Elemente

Die Maasai (Massai, Masai) bewohnen einen Teil des Südens der Repubilk Kenia und den Norden von Tansania. Die Mehrheit der Massai lebten ausschließlich als Rinderhirten mit vorwiegend halbnormadischer Lebensweise. Nach einer Rinderpest und der verstärkt einsetzenden Kolonialisierung durch Deutschland und Großbritannien wurden die Massai in für weiße Siedler unbrauchbare Gebiete abgedrängt. Die Massai beherrschten danach nur noch einen Bruchteil ihres ursprünglichen Gebietes von 1870, das vom Victoriasee bis zur Küste reichte. Obwohl der Anteil der feldbautreibenden Massai zunimmt, sind die Massai auch heute noch überwiegend Rinderhirten. Die soziale Struktur der Maasai ist ein patrilineares Klassensystem, das bei der männlichen Bevölkerung von einem Altersklassensystem überlagert ist. Alle Männer, die im Alter von 15-20 Jahren beschnitten werden, bleiben ein Leben lang zusammen in ihrer Altersgruppe, und durchlaufen alle Stadien und Übergangsrituale gemeinsam. Durch die Beschneidung werden die Jungen zu Ilmurran (Krieger), später zu Junior- und Senior- Illmoruak (verheiratete, vollwertige Männer) und letztendlich Illtasati (respektierte Älteste). Jede Altersgruppe hat bestimmte Meidungs- und Verhaltensgebote zu beachten, zum Beispiel dürfen die Ilmurran keine Pflanzenkost zu sich nehmen. Die Ilmurran ziehen Aufmerksamkeit auf sich durch lange Haare und farbenprächtigen Schmuck. Der Kontakt zwischen den Geschlechtern ist durch das Altersklassensystem und durch die Meidungsgebote geregelt, zum Beispiel müssen die Illmurran beschnittene, das heißt erwachsene, Frauen meiden. Die Massaifrauen sind nicht in das Altersklassensystem mit einbezogen. Sie werden mit der männlichen Altersklasse in Verbindung gebracht, mit der sie während der Kindheit zusammenlebten. Wichtige Ereignisse im Leben einer Frau sind Beschneidung, Heirat, Schwangerschaft, Geburt der Kinder und Feste der Kinder. Ihre Aufgabe ist es, Nahrung für die Familie bereitzustellen, die Kinder zu versorgen, die Kühe zu melken, die Hütten zu reinigen, Wasser zu holen und Tierhäute zu Kleidungsstücken zu verarbeiten. Auch baut sie die Hütten und kümmert sich um die Jungtiere. Des Weiteren spielen Frauen eine wichtige Rolle bei den Übergangsriten ihrer Söhne. Bei der Übergangszeremonie zum Älteren, ist es die Mutter, die ihren Sohn wieder in die Siedlungsgemeinschaft aufnimmt, indem sie ihm die Haare schert und ihm einen symbolischen Schluck Milch ihn ihrem Haus gibt. Sogar noch heutzutage ist das Denken und Handeln der Maasai auf die Rinder ausgerichtet. Ein Maasai, der nicht von der Viehwirtschaft lebt, wird kaum als echter Massai anerkannt. Gleichwohl verdienen die Maasaifrauen heutzutage einen Teil ihres Einkommens, indem sie Glasperlen für den Verkauf an Touristen herstellen.
Außerdem stellen sich viele Ilmurran gegen Bezahlung den Touristen als Fotomotiv zur Verfügung. [4] 

Die Nuba, ein Sammelname für etwa 50 Ethnien, die das Gebiet der Nubaberge Süd-Kordofans in der Republik Sudan bewohnen, erlangten Berühmtheit durch aufwendige Körperbemalung und Haargestaltungder Männer zwischen 17 und 30 Jahren. Diese sind Ausdruck von Jugend und Kraft. Bevor Blau als Industriefarbe aus arabischen Ländern angeboten wurde, wurden nur traditionelle Farben verwendet. Inzwischen sind durch Handel und Verkehr neue Elemente zur traditionellen Körperkunst der jungen Nuba hinzugetreten, zum Beispiel Sonnenbrillen, Seidentücher, oder Ketten aus Kronkorken. Die Lebensgrundlage der Nuba ist der Hackbau, ergänzt durch Rinderzucht, Schweine- und Kleintierhaltung. Seit den 1960ern begann eine Arbeitsmigration, die schwerwiegende Konsequenzen für die traditionelle Gesellschaft der Nuba hatte. Das Ziel der Männer war es, in den Städten am Nil, wie z.B. in Khartoum und Omdurman, Arbeit zu finden. Teilweise wanderten bis zu 50% der männlichen Bevölkerung aus. [5]

             

Die Tswana sind ein Teil der Nord-Sotho (Sotho Tswana). Sie leben im Inneren Südafrikas von der Kalahari bis zu den Gebirgen im Osten. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung lebt im eigenen Staat (Botswana), die Übrigen leben in den angrenzenden Provinzen. Eine bei dem Tswana vorherrschende Tradition ist die Cousinenheirat. Die Gründe dafür sind vielfältig. Cousinenheirat führt dazu, dass der Besitz in der Familie bleibt, dass Konkurrenten um Macht und Einfluss ausgeschaltet werden, und dass ein generationenübergreifendes Hilfe- und Kooperationssystem zwischen den Verwandtschaftsgruppen gebildet wird. Eine Eheschließung ist bei den Tswana, wie in vielen afrikanischen Gesellschaften, nicht eine Entscheidung aufgrund von Gefühlen für den Heiratspartner, sondern eine Entscheidung, die von den beiden Familien getroffen wird, die eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden. Cousinenheirat ist eine Vorraussetzung um materielles Wohl und gesellschaftlichen Zusammenhalt für alle zu sichern. [6]

Fazit

Die traditionellen Strukturen afrikanische Gemeinschaften waren zerstörerischen Fremdeinflüssen ausgesetzt. Diese begannen mit dem Sklavenhandel im 15. Jahrhundert, gefolgt vom Kolonialismus der letzten Jahrzehnte der 19. Jahrhunderts und den Schwierigkeiten nach der Entkolonialisierung. Dennoch haben viele ethnische Gruppen ihre Traditionen bewahrt, andere Traditionen hingegen starben aus, wieder andere integrierten moderne Elemente. Lebendige Traditionen geben den Menschen Identität und ein Zugehörigkeitsgefühl.

Kira Schmidt

  • [1] Trans-Atlantic Slave Trade,   http://www.slavevoyages.org/tast/index.faces, 2008, Zugriff am 04.01.10
         Geschichte Afrikas, 
  • [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Lippenteller
    Zugriff am 13.10.10
  • [3]  Erfundene Tradition  http://de.wikipedia.org/wiki/Erfundene_Tradition, Zugriff am 04.10.09
  • [4]  I. Rogg, E. Schuster (Hrsg.), Massai, in: Die Völker der Erde – Kulturen und Nationalitäten von A – Z, Gütersloh/München 1992;
            I. Rogg, E. Schuster (Hrsg.), Die Massai: Krieger, Hirten, Frauen, in: Die Völker der Erde – Kulturen und Nationalitäten von A – Z, Gütersloh/München 1992
  • [5]  I. Rogg, E. Schuster (Hrsg.), Nuba, in: Die Völker der Erde – Kulturen und Nationalitäten von A – Z, Gütersloh/München 1992;
            I. Rogg, E. Schuster (Hrsg.), Die wandelnden Bilder der Nuba, in: Die Völker der Erde – Kulturen und Nationalitäten von A – Z, Gütersloh/München 1992
  • [6]    I. Rogg, E. Schuster (Hrsg.), Sotho-Tswana, in: Die Völker der Erde – Kulturen und Nationalitäten von A – Z, Gütersloh/München 1992
    I. Rogg, E. Schuster (Hrsg.), Wenn die Cousine zur Ehefrau wird, in: Die Völker der Erde – Kulturen und Nationalitäten von A – Z, Gütersloh/München 1992
  • http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bd/Nuba_man_body_painting.jpg Zugriff am 13.10.10
  • http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9c/Nuba_woman_Kau.jpg Zugriff am 13.10.10
  • http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2e/Masai_initiation_rite_ceremony_-_by_Frédéric_Salein.jpg Zugriff am 13.10.10


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